Montag, 29. August 2011

Idiotenbingo: Vegetarismus oder "Ernährung, Moral, Vernunft und der ganze Rest"

Wie vielleicht nicht ersichtlich aus der Überschrift geht es hier um Vegetarismus & Veganismus.

Wenn man diverse Foren durchstöbert drängt sich einem 1 Fazit auf: Es gibt genau 4 Arten von Menschen. Oder besser: Genau 4 Arten melden sich dort zu Wort, vielleicht halten sich die Anderen nur zurück.
#1: Fleischfresser, ohne 1 Fünkchen Wissen über den menschlichen Organismus oder Ernährung, die Runde um Runde logische Fehlschlüsse ziehen und sich selbst widersprechen.
#2: Fleischfresser, die zugeben, dass eine fleischfreie (und mehr) Ernährung die vernünftigere und v.a. moralischere ist, aber die sich selbst als Hedonisten ("Mir ist Geschmack aber wichtiger, als Moral.") oder als "im Moment zu schwach dafür" (dazu zähle ich mich bspw. momentan) outen.
#3: Vegetarier/Veganer, die wissen wovon sie sprechen und mitdiskutieren.
#4: Leute die alles mit hohlen Phrasen zuspammen und bashen.

Gehen wir mal die "Argumente" der militanten Fleischfresser durch:

"Menschen sind von Natur aus Raubtiere!1111111"
a.) Nein. Sie sind omnivor. Das beweisen Verdauungsapparat, Gebiss und nicht vorhandene biologische Waffen zum Beutefang. Allerhöchstens Rudimente sind vorhanden (bspw. ~2mm längere Eckzähne).
b.) Es ist unlogisch und inkonsequent in einem Atemzug für "Menschen sind so weit entwickelt, dass sie Tiere industriell vernichten dürfen!" zu plädieren und in nächsten zu sagen "FLEIIIIIIISCH IST FOHL NATÜRLICH! ISST MAN SEIT URZEITEN!" Entweder man plädiert für Kultur, oder dagegen. Nicht beides zeitgleich.
c.) Menschen waren noch nie Raubtiere, selbst ihre Vorfahren ernährten sich großteilig durch Pflanzen.

"Aber Fleisch gab uns die Möglichkeit sich weiterzuentwickeln!111"
a.) Das ist nicht bewiesen und schlicht eine Phrase. Wäre dem so, dann würden Raubtiere auch ein deutlich effizienteres Hirn haben. Fakt ist: Zufälle und ausgewogene Ernährung führten zur artspezifischen Evolution.
b.) Um unseren jetzigen geistigen und kulturellen Zustand zu halten, ist Fleisch nicht notwendig.

"Aber nur die Körners, voll ungesund ey! Fleisch ist gesund!"
a.) Es wurde in den letzten Jahrzehnten mehrfach bewiesen, dass eine ausgewogene Fleischfreie Ernährung KEINE Negativfolgen auf den menschlichen Organismus hat.
b.) Pflanzliches Eiweiß weißt kaum bis keine strukturellen Unterschiede zu tierischem auf und kann vom menschlichen Organismus genauso gut verwertet werden. Viele pflanzliche (einige Bohnenarten u.a.) haben sogar eine höhere Biowertigkeit, als Fleisch (d.h. der Körper kann die Stoffe besser nutzen).
c.) Vegane Ernährung benötigt zugegebenermaßen geringe spezifische, auch oft umständliche, Anpassungen der Ernährung, jedoch: Mind over Matter. Nur Hedonisten tun immer nur das, was den meisten Spaß / die meiste Freude bringt. Und die Gesellschaft hat sich sicher nicht durch Solche weiterentwickelt.
d.) Genau genommen sind tierische Fette, zusammen mit Industriezucker, die Hauptverantwortlichen für alle häufigen Krankheiten in den Industrienationen. Abgesehen davon ist das meiste "Fleisch" heutzutage mehr eine Kombination aus Zucker, Abfällen und chemischen Stoffen.

"Aber voll die Planzorn! Die haben auch Gefühle!"
a.) Nein. Einfach Nein.
b.) Sie haben Reizrezeptoren. Es ist jedoch nachgewiesen, dass man für Schmerzempfinden, dass nicht nur mechanische Reaktionen auslöst ein zentr. Nervensystem benötigt. Pflanzen besitzen keines. Ebenso ist es bei niedrig entwickelten Lebewesen, wie Ameisen (kämpfen auch gegen Termiten weiter, wenn sie Körperteile verlieren, da sie keine Furcht oder Schmerz kennen, sondern nur mechanisch darauf reagieren) oder Shrimps.
Höher entwickelten Lebensformen (Nagetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien +) konnte jedoch ein Empfinden von Schmerz und Angst bewiesen werden.
Bspw. ist die Hirnaktivität, sowie der Stimmklang, bei Schweinen unterschiedlich, abhängig von Angstschreien und Schmerzschreien.


"Aber ey voll esst ihr den Tieren ihr Futter weg! So sterben die auch!"
a.) Nein. Viele Tierarten existieren in ihrer heutigen Form NUR und NUR als Nutztier. Diese Arten würden so nicht existieren, ohne den Menschen - würde Fleischkonsum sinken, würde die Anzahl der Tiere sinken und es gäbe keine Nahrungsknappheit zwischen Tieren und Menschen.
b.) 90% des Sojaanbaus werden zu Tierfutter und nicht zu Tofuprodukten für Menschen.

"Fleisch voll leckaaaaaaah und männlüsch!"
a.) Männlich wäre es maximal in den Wald zu gehen und ein Tier mit eigenen Händen zu reissen und dann roh zu essen.
b.) Lecker. Nunja. Wie man's nimmt: Kaum Jemand mag Fleischgeschmack. 99% mögen den Geschmack von verbranntem und gewürzten Fleisch. Das selbe kann man auch mit pflanzlicher Nahrung anstellen.


"Aber bspw. Sojaanbau zerstört auch Lebensräume und tötet Insekten!"
Das ist wahr. Jedoch muss man ja irgendwo beginnen. Vegetarier sind auch nicht konsequent. Selbst Veganer nicht. Aber zu sagen "Das bringt keine 100% Verbesserung! Lasst es!" wäre Schwachsinn.
Besser eine Verbesserung, als Keine.

"Aber Tiere sind doch voll dumm und so! Ihr Pech, dass die sich nicht weiterentwickelt haben! Wenn, dann würden Kühe heute uns essen! PGH!"
a.) Wie oben: Es ist unlogisch und inkonsequent erst zu sagen "Wir dürfen das, weil ..:", und danach "...aber früher, war das anders!"
 b.) Es gab da mal einen Österreicher. Der meinte Juden sind auch nur Tiere. Oder es gab da mal US-Amerikaner. Die sagten Schwarze sind nur Tiere. Argumentiert man so, dann kann man alles nehmen um zu sagen "Ich bin besser als x, ich darf es essen." Über das eigene Handeln nachzudenken, hätte so einige Dinge in der Geschichte erspart.
c.) ... lasst uns doch auch dumme Menschen essen. Es gibt kein Argument für Tierverzehr, der Menschenverzehr ausschliessen würde. Menschen sind Tiere. Und Kannibalismus ist unter Tieren (Denn das ist ja voll natürlich, sich wie ein Tier zu verhalten!) Gang und Gebe bei vielen Arten.

"Wenn Alle Vegetarias wärne, dann würde die ganze Welt voller Kühe und Schweine stehen! Sie werden nur dazu geboren um zu essen! Ihr nehmt ihnen ihren Existenzsinn!111Voll die unnatürliche Welt!"
a.) Nein. Die Tiere existieren (in dieser Menge) überhaupt nur, weil sie vom Menschen gezüchtet werden. Würde der Anteil der Vegetarier steigen, würde sich die Anzahl der Tiere auf ein passendes Maß einpendeln.
b.) Nur weil Menschen meinen, dass es der Sinn wäre, ist dem nicht automatisch so. Nur wenn alle sagen, dass die Kaninchenpopulation auf dem Mond zunimmt, heißt es nicht, dass es stimmt.
c.) Abgesehen davon muss nix natürlich sein, da es der Mensch schon seit Jahrhunderten nicht mehr ist. Die Gesellschaft könnte kaum noch unnatürlicher sein, als sie es zur Zeit ist, daher ist plädieren für Natürlichkeit mehr als hirnlos.

"Ich kauf nur Biofleisch!"
Da bin ich recht zwiegespalten. Fakt ist: Das Leid während der Lebenszeit verringert sich. Der Tod kommt dennoch. Ist sicher eine gute Sache, gegenüber Industriefleisch, aber im Endeffekt nur ein kleiner Schritt nach vorne. 

"Ist voll unnatürlich und übertrieben genussfrei zu leben!" 
a.) Unnatürlich, ja. Wie industrielle Massentierhaltung auch.
b.) Genussfrei lebt mal gar Niemand. Weder Vegetarier, noch Veganer, noch Frutarier, noch StraightEdger. Es gibt ja mehr, als Nahrungs- und Genussmittel für Genuss.
c.) Ehrlich gesagt tun mir Menschen wirklich, wirklich Leid, die meinen man lebe genussfrei ohne Alkohol, Nikotin und Fleisch. Gibt ja sonst nix im Leben ...

"Veganers sind voll dumm! Die hier, die gar nichts und so! Kühe geben eh Milch (sonst explodieren sie) und Hühner legen eben Eier!"
a.) Kühe geben genau dann Milch, wann es auch Frauen tun. Wenn sie stillen. Damit Kühe Milch geben werden sie stetig schwanger "gehalten" und ihre Kälber werden dann zu Kalbsleberwurst etc.
b.) Eiproduktion führt zum "Sexen" von Küken. 50% der Hühner sind weiblich, werden bspw. zu Legehennen. 1% der männlichen Küken benötig man zur Befruchtung. 49% werden zerschreddert.
c.) Milch und Eikonsum ist kein direkter Mord an Tieren, jedoch führt er über wenige Umwege direkt dazu.
d.) Das bedeutet nicht, dass Vegetarier Unmenschen sind, jedoch sind Veganer keinesfalls dümmer oder schlechter, eher sogar weitaus konsequenter.

"Aber ich kenn so welche! Die sehen voll gar nicht gesund aus!"
a.) Wie bei "normaler Ernährung" ist auch bei dieser eine gesunde notwendig, sonst sieht man nunmal ungesund aus.
b.) Wer mal richtig ungesunde Vegetarier oder Veganer sehen möchte ... Hier und hier und hier oder hier.

"Ist mir egal. Gott etc. hat die Tiere für uns geschaffen."
"Ich will aber nicht!"
"Mir alles egal! Nananana, ich hör' dich nicht!"
"Ich finde es dumm etwas nur um der Ideologie wegen zu tun!"
Pseudotouché. Das ist der Punkt, wo man nicht weiterkommt. Wenn Jemand es eingesteht (oder auch nicht), dass er eigentlich falsch liegt und keine guten Argumente für seine Sichtweise hat, aber eben nicht logisch handeln will.
Wären alle Menschen solche Hedonisten (Genuss & Spaß = höchstes Gut), dann hätte es nie Entwicklungen in Forschung und Zivilisation gegeben.

Weiterhin ist Fleischproduktion ein Ökonomisches (Fleischproduktion verbraucht das Vielfache an Produktionsstoffen. Ergebnis = geringer, als Ausgangsprodukte) und Ökologisches Desaster (Natur und Umweltzerstörung in jeglicher Hinsicht).

In einer Gesellschaft in der es möglich ist auf tierische Produkte zu verzichten ist also Fleischgenuss enorm verantwortungslos.

Zum Schluss sei gesagt: 
Ich hasse Missionierung. Zu beiden Seiten. Militante Vegetarier/Veganer/Fleischfresser sind Vollidioten. Aufklärung, statt Zulabern.
Man kann einen Menschen nicht aufgrund eines Charaktermerkmals bestimmen, so finde ich auch prinzipielle Verurteilung der Menschen der anderen Gangart dumm. Nur weil man 1 Charakterzug verwerflich findet, muss man den Menschen ja nicht Moral und Lebenswert absprechen.

Ich bringe mal ein Zitat, was strenggenommen zu ALLEM passt, was man in die Welt hinaustragen möchte:
"Wer bei diesem Idiotentanz (Anm. d. V.: Auslebung der falschen Ansicht(en)) mit springt, kann keine Veränderung erzielen. Er wird auch keine Änderung erzielen, wenn er wegsieht (Anm. d. V.: Ignorieren der Menschen, die Falsches tun). Nein, er muß am Rande stehen, aufmerksam, interessiert. Und wenn einer der Tanzenden ausbricht, Fragen hat, Antworten haben will – dann müssen wir die Antwort aus der lebendigen Wirklichkeit geben. (Anm. d. V.: Alles beobachten. Meinung bilden. Wenn Jemand will, ihn aufklären.)
(Anm. d. A.: Der eigentliche Autor dachte dabei an etwas Anderes, das Zitat kann man jedoch auf jegliche Aufklärung anwenden.)

Post Scriptum: Etwas zur Auflockerung und dass man auch dennoch Humor haben kann, auch als Jemand der sein Leben nach Ideologie ausrichtet: Schlechte Vegetarierwitze.
"Warum essen Veganer keine Hühner? - Weil Eier drin sind.
Warum essen Veganer keine Eier? - Weil Hühner drin sind..."