Mittwoch, 30. Mai 2012

In der Szene aufwachsen und hinauswachsen: Scheinheiligkeit, Pseudofreiheit, Inkonsequenz, Scheinindividualismus

Nehmen wir zu Beginn, der Anschaulichkeit wegen, eine Person. Nennen wir sie Sascha. Somit kann diese Person weiblich, als auch männlich sein. Dies spielt für die Betrachtung eher keine Rolle.

Sascha ist 14 oder 15 Jahre alt und findet, auf welchem Weg auch immer, zu einer Szene / Subkultur innerhalb der sogenannten Schwarzen Szene.

Wie Sascha dort hinfindet kann auf vielfältige Weise geschehen:
Er / Sie kann rein zufällig darauf stoßen, ohne direkt gesucht zu haben, und Gefallen daran finden. (Typ I)
Sascha könnte eine mindestens subjektiv schwierige Zeit in seinem Leben haben und auf der Suche nach Kompensation und Identifikation in eine Szene reinfinden. (Typ II)
Es könnte auch sein, dass es ganz einfach Gruppenzwang der umgebenden Gruppe ist oder der Wille zu einer solchen zu gehören, der ihn / sie zwing sich einzugliedern. (Typ III)
Hybridtypen sind möglich.

Wie dem auch sei: Sascha ist nun bspw. Goth / (Black) Metaller, oder was auch immer.

Nehmen wir passenderweise an, dass Sascha BM für sich entdeckt hat, oder meint entdeckt zu haben.
Anfangs noch ein bisschen Heil Wotan gröhlen und den Pagan Black Metal fröhnen, dann vielleicht depressiv sein, weil Mama das Taschengeld aufgrund der schwarz gefärbten Haare und der bösen Stiefel, gestrichen hat.
Letztendlich hat Sascha lange Haare, vielleicht immer noch schwarz gefärbt, trägt Bandshirts, schwarze oder Flecktarnhosen und Stiefel und vielleich noch passenden Schmuck oder Schminke.

3 bis 4 Jahre lang geht die Chose und mit 18 entdeckt Sascha, der / die nun fertig ist mit der schulischen Ausbildung, aus welchem Grund auch immer, dass Black Metal voll blöde ist.

Black Metal ist blöd, weil man merkt, dass man nun erwachsen ist und so kindische Sachen nicht mehr mitmacht!
Wer könnte in diese Lage kommen?
Typ-I-Sascha sicherlich, ist jedoch unwahrscheinlich da man sich selten mit einer Sache jahrelang aus Eigeninitiative auseinander setzt und sie dann aufgrund einer scheinheiligen Reife abstreift.
Typ-II-Sascha könnte sagen "Ich will die Zeit vergessen und damit auch den Black Metal!", oder zu seiner / ihrer Vergangenheit stehen und weiterhin das Lebensgefühl beibehalten.
Typ-III-Sascha wird höchstwahrscheinlich alles davon abhängig machen, wie das neue Umfeld aussieht, oder inwieweit das alte konstant bleibt, denn Sascha hat sich inzwischen zu einem/einer waschechten Opportunist(i)en gemausert und macht, was ihre Freunde tun.

Die Saschas, die bleiben wie sie sind, sind nun erst einmal irrelevant, da es an ihnen keine großen Veränderungen gibt, mit denen man sich befassen könnte.

Sascha macht eine 180° Drehung und wendet sich gänzlich vom Black Metal ab. Dies kann allen 3 Typen passieren, die Wahrscheinlichkeit steigt jedoch von Typ I bis zu Typ III.

Gründe, die da wären:
1. Sascha ist ehrlich und wirklich davon überzeugt, dass BM nicht mehr zu ihrem / seinem Lebensgefühl passt und kapselt sich langsam davon ab, entdeckt neue Interessen, wird jedoch niemals etwas verleugnen oder gänzlich alles abstreifen.
- Nun. Ich denke, dass dies bei den Allerwenigsten der Fall ist. Ich schätze < 5%.

2. Sascha hatte niemals wirklich Interesse an der Sache selbst und hat daher kein Problem sich an die neuen Gewohnheiten der Alten oder die neue Gruppe anzupassen. Schließlich will man nicht auffallen! Außerdem muss man ja Eindruck schinden, mit Natürlichkeit kommt man nicht weit.

- Nun kommen also die Haare ab: "Der Aufwand mit den Haaren hat mich genervt!"
Wieso hat man sie dann erst wachsen lassen?
Nach Jahren den, absolut nicht großen Aufwand, urplötzlich zu groß zu finden, ist nicht glaubwürdig.
Version I: Wider Willen, dem Gruppenzwang wegen, damals wachsen lassen.
Ist nicht ein mal so häufig, denke ich. Viele wollen in ihrer Pubertät wirklich langes Haar.
Version II: Man ist ein feiger Opportunist. Der sich einem neuen Gruppenzwang unterwirft.
Ist wohl der häufigste Grund. Schließlich ist man jetzt Erwachsen und muss sich anpassen. Ganz zu schweigen von den neuen coolen Freunden, die gar nicht Metal sind.
Version III: Man hat dünnes Haar und sieht ungepflegt aus.
Sehr seltener Grund in solch jungen Jahren, gibt es aber hin und wieder.
Version IV: Der Geschmack hat sich verändert. Man hat wirklich das Interesse am Stil verloren.
Der seltenste Grund. Eine große Veränderung in dem Maße erscheint unlogisch, wenn man vorher mit Herzblut dabei war. 
Version V: Bei meinem Job geht das aber nicht!
Ist eine miserable Ausrede. Wenn man entsprechend auftritt und Können beweist, wird dies bei 99% aller Arbeiten kein Problem darstellen.

- Außerdem wird sich ordentlich gekleidet! Schön bunt und unauffällig. "Ich will nicht, dass mich andere erkennen, oder dass ich auffalle!"
Wieso hat man sich dann erst so gekleidet?
Version I: Wider Willen, dem Gruppenzwang wegen, damals so gekleidet.
Wie beim Haar.
Version II: Man ist ein feiger Opportunist. Der sich einem neuen Gruppenzwang unterwirft.
Wie beim Haar.
Version III: Man will kein voll unindiviueller Massenmetaller sein und auch in Uniform rumrennen!
Also wechselt man die Kleidung von Tausenden, gegen die von Milliarden. Scheint nur logisch. Ist man gleich viel einzigartiger.
Version IV: Der Geschmack hat sich verändert. Man hat wirklich das Interesse am Stil verloren.
Wie beim Haar.
Version V: Bei meinem Job geht das aber nicht!
Wie beim Haar.
Version VI: Man möchte wirklich keinen Kontakt mehr pflegen und nicht erkannt werden / auffallen.
Wenn man so ängstlich ist, dass man als "Metalbrother United \m/", angemacht wird, dann ist dies ganz schön erbärmlich. So unterwirft man sich einer irrelevanten Angst und handelt dafür wider seinem Willen und steht nicht zu seinem Kleidungsgeschmack.

Dies sind dann meist auch noch genau die Personen, die im Alltag gänzlich "normal" und / oder bunt umherlaufen und sich extra für Konzerte etc. umziehen und ein Kostüm anziehen. Noch schlimmer ist es, wenn sie es dann Kostüm nennen und zugeben, dass sie sich verkleiden, anstatt zu tragen, was ihnen gefällt.
Würden sie die Kleidung mögen, dann würden sie sie immer tragen und zu ihrem Geschmack stehen. Wenn sie sie nicht mögen, würden sie dazu stehen und sich nicht für Konzerte umkleiden, um Eindruck zu schinden.
Dieses Hin und Her ist inkonsequent und / oder Aufmerksamkeitshurerei, oder Feigheit.
Kleidung ist mitnichten relevant um Teil der Szene zu sein, Inkonsequenz und Anbiederung hingegen ist ebenfalls abzulehnen.
Doch weiß sich solch ein Mensch nicht zu helfen, als jene anzugreifen, die das geschafft haben, was er selbst nie erreichte oder alternativ den wahren Kern seiner Handlungen trifft und ihn als Nutznieser einer Szene aufzudecken droht.
Natürlich redet man hier von großen Diskrepanzen. Wenn jemand, der Bequemlichkeit oder der Zeit halber, nicht 24/7 Stiefel / Patronengurt / etc. trägt, die er auf Konzerten und beim Ausgehen trägt, ist das nachvollziehbar.
Wenn Jemand wochentags bunt in Standardkleidung umherläuft, dazu freshe Sneakers und Ed Hardy Shirt, dann aber eben o.g. Vollmontur am Wochenende trägt, ist das lächerlich.

Wie immer gibt es natürlich seltene Ausnahmen, mit nachvollziehbaren Gründen und daher konsequentem, ehrlichen Verhalten.

 3. Man hat keine 180° Drehung gemacht, sondern hat sich durchgehend, trotz ehrlichem Interesse am Stil, äußerlich nicht angepasst. Und tut es auch weiterhin nicht ...
Ist wohl eine absolute Ausnahme, dennoch vorhanden.

So werfen einem die, die kein Durchhaltevermögen, nie ein ehrliches Interesse daran hatten oder einfach alles nur als Mittel zum Zweck nutzen (Für FUN FUN FUN PARTEY ATTENTIONWHORING), dann vor, man sein unreif und ignorant, wenn man konsequent und treu bleibt, einer Sache gegenüber mit der man es immer ernst gemeint hat und noch immer ernst meint.

Man fragt, ohne Hintergedanken und mit ehrlichem Interesse:
"Wieso tragt ihr urplötzlich solche Kleidung?"
Und zurück kommt:
"Darf man das nicht als Metaller? Ist das untrue???? Wie alt bist du???!!!!111"
Dabei ist es nur logisch, dass es jeden verwirrt, der ernsthaft den Stil, die Musik und die Hintergründe liebt, es kaum versteht, wieso man sich plötzlich davon abwenden sollte. Denn wenn man es bereits einmal tat (sich entsprechend zu kleiden), so ist die Chance gering, dass man plötzlich keine Lust mehr dazu hat.
Schließlich denkt man unter Gleichgesinnten zu sein, und nicht unter Nutzniesern, Attentionwhores und Trittbrettfahrern.

Wie hungrige Hunde greifen sie Denjenigen an, welcher Konsequenz und Wahrhaftigkeit lebt (jedenfalls weit ehrlicher, als genannte Mitläufer), statt nur so zu tun, und genau dies wird ihm unterstellt, da man selbst nie das Potenzial hatte, das zu sein, was man meinte sein zu müssen.



Kurzum zum Fazit:
Die meisten lassen mit 18-25 alles hinter sich, verkennen ihre Vergangenheit, feinden die an, die konsequent blieben in ihrem Empfinden und ihren Vorlieben, und stellen sich selbst als reife Elite über diejenigen, die es ernst meinen, nur um am Ende in der grauen Masse unterzugehen und ihre Vergangenheit, gespielt, oder wahr, zu vergessen.
So ist es doch bei den allerwenigsten der Fall, dass sich Menschen, die so handeln, wirklich in eine andere Richtung (nicht weiterentwickelt!, es ist kein Zeichen von Reife, seine Interessen zu ändern) entwickelt haben, was den Saschas gleich käme, der / die bei Punkt 1 genannt wird gleichkäme.

So haben wir also 85 % Typ-III-Saschas, 10% Typ-II-Saschas und 5% Typ-I-Saschas.
Der Witz ist: 99% der Typ-III-Saschas leugnen, selbige(r) zu sein. Die Saschas, die sich nie äußerlich angepasst haben und trotzdem ehrliches Interesse hegen, sind meist unauffällig und man kommt nie dahinter, dass sie solche sind. Und Typ-I-Saschas erkennt man meist bis zum Lebensende (in der Jugend sind sie äußerlich jedoch von den anderen beiden Typen nicht zu differenzieren).

Es gibt die, die sich wirklich verändern, oder konsequent und unauffällig sind, doch kaufe ich es dem Gros nicht ab. Es ist einfach viel zu oft, viel zu offensichtlich. Und wenn man die Wahrheit sagt, wird man angegriffen, was nur noch mehr beweist, wie richtig man liegt.

1 Kommentar:

  1. Ganz ehrlich. Ich hasse diese verfickte Szenereduzierung auf Kleidung / Haare / generell Aussehen.
    Kann dir hier mal zur Abwechslung absolut nicht zustimmen.

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