Freitag, 15. Juni 2012

Nihilismus, Eskapismus, Romantik - auch im Black Metal, 2. Versuch

So, nachdem ich gestern diesen Post zu 90% fertig, also eine ganze Menge Text verfasst, hatte, beschloss Chrome beim Einfügen eines Bildes abzustürzen ... und von daher - neuer Versuch.

Dieser Post wird sich in die Reihe von Einträgen einreihen, die die wichtigsten Themen & Motive des Black Metal behandeln, was natürlich nicht bedeutet, dass diese Dinge nicht auch bei vielen anderen Kunstformen vorkämen.

Romantik, Eskapismus, Nihilismus, Misanthropie, Satanismus & Okkultismus, Zynismus, weitere philosophische Themen.

Misanthropie und Zynismus habe ich bereits einen Eintrag gewidmet. Satanismus in verschiedenen Varianten wird noch einen eigenen bekommen.
Heute behandel ich jedoch Romantik; Eskapismus und Nihilismus.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst (1790–1840), der Literatur (1795–1848) und der Musik (Kernphase 1820–1850, siehe auch Musik der Romantik) äußerte.
Im heutigen, allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff Romantik mit dem Adjektiv romantisch die Eigenschaft einer Sache oder eines Ereignisses, Menschen mit Liebe und Sehnsucht zu erfüllen, so etwa in den Wortverbindungen „romantische Liebe“, „romantische Musik“ oder „ein romantischer Brief“.
Romantik ist in erster Linie also eine Kunstepoche. Ich beziehe mich vorrangig auf die literarische Romantik und damit das Vermächtnis, das diese an die heutige Welt gab.

Romantik hat also nicht zwangsweise etwas mit Schnulzen oder Liebe zu tun. Liebe im eigentlichen Sinne natürlich ja, aber für die Meisten ist Liebe gleich Eros oder mindestens die Liebe zweier Menschen.
Liebe ist allerdings ein Begriff maximaler aufopfernder Zuwendung und Zuneigung: D.h. auch Liebe zur Natur, Liebe zur Freiheit, Liebe zum Leben, Liebe an der Schönheit. Das alles ist Liebe. Eine Geisteshaltung die man im Normalfall nicht selbst wählt, sondern durch Präferenzen, Erfahrungen oder Gefühle "geschieht".

Das gleiche gilt für Sehnsucht.
Romantisch bedeutet also "mit Liebe und/oder Sehnsucht erfüllend".

Beim Hauptmotiv Sehnsucht (die ja auch von Liebe ausgelöst wird) gleiten wir ins nächste Thema über: Den Eskapismus.
Als Eskapismus, Realitätsflucht oder Wirklichkeitsflucht bezeichnet man die Flucht aus oder vor der realen Welt und das Meiden derselben mit all ihren Anforderungen zugunsten einer Scheinwirklichkeit, d. h. imaginären oder möglichen besseren Wirklichkeit.
Zumeist erfüllt einen die Vorstellung oder Idee von einer schöneren, besseren Welt mit Sehnsucht und man verliert sich im Gedanken an diese. Das nennt man Eskapismus.

Das Genrefernsehen rund um Fiktion ist von Eskapismus bestimmt. Wir wünschen uns in Welten von atemberaubender Schönheit, Abenteuern, großen Helden.

Dunkle Romantik, wie sie in der Deutschen Romantik großteilig vorkommt, ist dann bildlich wie übertragen gesehen eine dunkle Romantik. Es geht um die Sehnsucht nach dem Unbekannten, dem Finsteren, dem Bösen. Durchdrungen von dunklen Motiven und Bildern, aber auch meist dunklem "Geist" wie pessimistische oder melancholischer Grundhaltung.

Zur dunklen Romantik kann man heute vieles zählen: Horrorfilme, Black Metal und große Teile anderen Metals, Gothic, jede Form von finsterer Fiktion in Form von Dystopien in Science-Fiction etc. pp.

Doch wenn man genau darüber nachdenkt erscheint es sinnlos, Sehnsucht nach etwas eher negativ konnotierten zu haben: Das ist jedoch die Form der Romantik - sie idealisiert.

Nehmen wir als Beispiel das Mittelalter und Piraten.
Da wird von großen Schlachten, ehrenhaften Siegen, Burgfräuleins, Freibeutern auf hoher See in Sauß und Braus geschrieben, gefilmt und gesungen: Doch die Wahrheit sieht im Regelfall nicht so aus.
Piraten hatten meist ein schlechtes, kurzes, entbehrungsreiches und wenig ehrvolles Leben.
Genauso wie das Mittelalter alles andere war, als ein schöner Ort zum Leben - viel mehr würde ein durchscnittliches mittelalterliches Leben alle Horrorvorstellungen der heutigen Menschen erfüllen, mit dem Leid, der Arbeit, der fehlenden Hygiene, der Repression.
Doch das ist Romantik - die Dinge werden romantisiert, also idealisiert und man sieht nur noch die schönen Seiten und heroisierte Versionen von Leben und entwickelt Sehnsucht nach diesen.

Auf die gleiche weise kann Schauerromantik in uns Sehnsucht nach Monstern und Finsternis wecken, indem selbst diese Dinge zu Zeiten noch schöner und abenteuerlicher scheinen, als unser langweiliges, ereignisloses Leben heutzutage.

Im Black Metal wird Vieles romantisiert: Die Natur, das Böse, heidnische Kulturen, Kriege usw usf.
Und es wird immer eskapistisch eine fremde, ferne und doch irgendwie anziehende Welt gezeichnet.
Und so ist der Eskapismus selbst ein Motiv der Romantik, das Unheimliche, Befremdliche und böse ims speziellen der dunklen Romantik und Sehnsucht und Liebe ist das grundsätzliche Motiv aller Romantik, wie auch (imho) das jeder Musik mit Seele.


Notiz: Gerade ist der Browser wieder abgestürzt - glücklicherweise hatte ich vorher gespeichert. :|


Nun kommen wir zum Nihilismus: Ein vielschichtiges philosophisches Thema und im Black Metal oft falsch verstanden.

Der Begriff Nihilismus (lat. nihil – „nichts“) bezeichnet allgemein eine Orientierung, die auf der Verneinung jeglicher Seins-, Erkenntnis-, Wert- und Gesellschaftsordnung basiert.
Das klingt erst mal "böser" als es ist. Nihilismus, wie er von den meisten Philosophen ausgearbeitet wurde, besonders durch Nietzsche, ist (in letzter Konsequenz) alles andere als destruktiv und lebensverneinend. In erster (Erklärung folgt) ist er jedoch werte-, normen-, religions-, gesellschafts und lebensverneinend.

Lustigerweise befindet sich genau hier das hauptsächliche Fehlerpotenzial im Black Metal, wie auch bei Nietzsches Willen zur Macht, und jeder 16-jährige Heiopei deutet ihn grundsätzlich falsch.
Aber hauptsache Black Metal wird als "atomic hollokaust anti human" verstanden, ohne zu verstehen warum er dieses Motiv bedient.
Ist einfach cool Menschen zu hassen und allem den Wert abzusprechen.
Bis man 24 wird, sich die Haare abschneidet, bunte Klamotten kauft und "über den kindischen BM" hinweg ist.
Natürlich ... wenn man es niemals verstanden hat und seine eigenen Phantastereien überwindet, kann man nicht anders denken, als dass so etwas dumm ist.

Wie auch immer: Nihilismus.
Es gibt verschiedene Arten von Nihilismus, ich werde mir 2 Gruppen raussuchen: banaler und konstruktiver.

Wie auch Misanthropie, ist Nihilismus, zusammen mit Satanismus, wohl das Hauptmotiv von Black Metal, heute, wie damals.

Alle Drei sind meiner Meinung nach eindeutig in ihrem eigentlichen Sinne zu verstehen und somit alle 3 konstruktiv.

Es wäre eine wertlose Kunst, die um ihrer Selbstwillen ist. D.h. wäre Black Metal misanthrop um misanthrop zu sein, oder nihilistisch um nihilistisch zu sein, dann würde das Wort Kunst freilich nicht passen. Dann wäre es banale Bespaßung für retardierte Idioten. Was es auch so zu großen Teilen ist ...

Misanthropie erklärte ich bereits, liegt der Wille zugrunde, dass man eben nicht misanthrop sein möchte.
Nihilismus ist da eine kompliziertere Angelegenheit, aber grundsätzlich ähnlich zu bewerten. Man möchte nicht, dass es keinen Sinn gibt, aber man geht davon aus, dass dem so ist, und gerade deswegen muss man als Mensch allem einen Sinn geben.

Genauer - Nihilismus und seine Entwicklung:
Erste Erwähnung als Neinismus / Nihilismus 1733 durch  Friedrich L. Goetz.
1787 Jacob Obereit bezeichnet eine Methodik die die Ablehnung einer natürlichen Weltgewissheit als notwendig sieht, als Nihilismus.
In einen Brief an Herrn Gottlob Fichte erwähnte Friedrich Jacobi 1799 erstmals Nihilismus in der heutigen Bedeutung: Einer Verneinung allen Seins und aller Werte.
Iwan Sergejewitsch Turgenew benutzte 1862 in seinen Dichtungen Nihilismus als abwertenden Begriff für Anarchisten.

Und so kommen wir zu Nietzsche:
Nietzschee, der sich selbst als Schüler Schopenhauers sah, bezog sich zuerst auch auf die Anarchonihilisten Turgenews und schrieb unter anderem in "Jenseits von Gut und Böse" über einen Nihilismus „der nicht bloß Nein sagt, Nein will, sondern […] Nein tut.".

Speziell Nietzsche hatte das Christentum als nihilistisch bezeichnet, da sich das Christentum nur auf die Nachwelt bezieht. Was man tut, ist für die Nachwelt. Die hiesige Welt ist bedeutungslos im Gegensatz zum Jenseits.
Nietzsche sieht den Nihilismus als notwendigen Durchgangsstatus zum Besseren, zum Übermenschen.
Dabei wünscht er nicht eine Welt ohne Werte und Moral, sondern eine "Umwertung der Werte" (siehe "Also sprach Zarathustra") die notwendig sei, um den Willen zur Macht (über sich selbst und seine eigene Seele) zu erlangen und zum Übermenschen zu werten.
Nihilismus ist dabei nur der befreiende Vorstoß in die Losgelöstheit und unnützen Normen, Werten und Glauben, den man benötigt um besser zu werden.
Und dabei ist nicht - wie oft im Black Metal verstanden - der Wille Nietzsches unmoralisch und wertfrei zu werden um mit seinem "Willen zur Macht" ein Übermensch zu werden, der über die Untermenschen herrscht.
Ganz im Gegenteil ... Alle Menschen sollten bestenfalls den Willen zur Macht erlangen und Übermensch werden, um die Fehler des Menschen abzustreifen und eine bessere Welt zu kreiren.

In der Praxis sieht das alles natürlich etwas schwerlich aus und Nihilismus führt eher zu Selbstaufgabe und moralfreiem Hedonismus.
"Wenn man tot ist, ist eh alles egal!" - Nihilismus könnte man diesen banalen Nihilismus nennen.
Zugrunde liegt dem ganzen eine naive und ehrlose Sicht im Sinne von "diese naiven Idioten versuchen noch die Welt zu retten! Ha! Ich habe viel Spaß und Freude bis zum Tod und die versauen sich alles! Hat eh keinen Sinn! Nichts ist von Belang!".

Doch genau darum geht es: Wenn jeder so denkt, dann ist Nichts von Belang. Alles hat nur so viel Wert, wie wir ihm beimessen.
Diese Form über das Ziel hinauszuschießen und den Nihilismus nicht als Mittel für "Phönix aus der Asche" zu nutzen, hat eigentlich gar nicht mehr viel mit Nihilismus zu tun. Anstatt nur das Unnötige zu verdammen, verdammt man alles und erkennt nichts an.
Es geht sicherlich darum Nichts anzuerkennen im ersten Schritt, daher ja Nihilismus, aber der Zweck dahinter ist es, aus dem Nichts einen Neuanfang zu gewinnen.
Da das so nicht funktioniert, wenn sich ein Einzelner hinstellt und sagt "Ich erkenne eure Gesellschaft nicht an!", aber im selben Moment sich so bieder und Stino verhält, das ist klar.
Denn wenn man Nihilismus als banalen hedonistischen Nihilismus lebt, dann läuft man ihm völlig zu wider.

Nach Nietzsche haben sich u.a. Heidegger und Popper mit seinem Nihilismus beschäftigt, ihm jedoch eher zugestimmt und widersprochen, denn bahnbrechende Neuerungen eingebracht.

A.N.U.S. meint dazu im Übrigen:
Der Nihilismus ist ein Hilfsmittel, um moderne Wertvorstellungen zu transzendieren und das Inhärente zu entdecken.
Trifft's ja wunderbar. Man muss erst das Menschliche und Künstliche, das vor allem die Moderne bestimmt,  verneinen und von sich ablegen, um das was "dahinter" liegt entdecken zu können und einen völlig neuen Blick und Anfang zu ermöglichen.




Als Abschluss möchte ich noch ein Zitat von der deutschen ANUS-Seite bringen. Die Quelle dieses Zitates ist der erste Link unter dem Absatz: Lesen lohnt sich!

Nihilismus ist der Gedanke der völligen Nichtigkeit, der totalen Bedeutungslosigkeit jeglicher Emotionen, Wertschätzungen und fasst diese als allein dem subjektiven Verstand (und sonst nichts) inhärent auf - als mit der Materie vergängliches Empfinden. Als solches verneint der Nihilismus absolutistische Ansprüche einer allgemeinen, außerhalb des Selbst unbedingt gültigen Moral, er verneint die Fähigkeit, Wahrheit zu kennen, wahres Wissen zu besitzen und dieses kommunizieren zu können, er an-nihil-iert die Frage nach dem Sinn des Lebens und stellt der Existenz das Nichts entgegen.
 [...]
Nihilismus ist weder atheistischer Materialismus, der ignorant gegenüber der Möglichkeit von Dimensionen größer als der unsrigen ist, noch weilt er in abstrusen Vorstellungen von einem Leben nach dem Tod, deren moralische Imperative mit den Mechanismen der Welt nicht kongruent sind und ihre Anhänger in die Verdammung führen. Die Menschheit kann sich weiterhin im Schlammpfuhl oberflächlicher Vergnügungen ersäufen, pathetisch, vor Angst kriechend, bis der würdevolle geistig aufrechte Gang ein Atavismus und der zerlumpte, nach Sex und Alkohol stinkende Hedonist das sozial erstrebenswerteste Lebensmodell ist. Wer jedoch Sehnsucht empfindet, wem die Schalheit modernen, oberflächlichen Lebens und die Befriedigung des Selbst nicht genug sind, wer dieses Leben als einmalige Chance auffasst, zu kreieren, wer es liebt und so voll wie möglich erfassen möchte, wer Ehrfurcht für diese Schöpfung, dessen Teil er ist, empfindet -- derjenige wird Nihilismus nicht als Last empfinden, sondern vielmehr als Öffner der Pforten zu einer Wahrnehmung der Existenz, die voller, reifer und ehrlicher ist, als all die zuckergetränkten Illusionen, die unsere Angst vor Tod und Bedeutungslosigkeit verbergen sollen. Plötzlich sind all die eitlen Spielchen der Menschen nicht länger von Belang.
Der Nihilist wird keine Gewissheit finden, aber auch keinen Grund, zu zürnen oder zu fürchten. Himmel und Hölle liegen auf Erden, es sind unsere Entscheidungen, die sie formen.
[...]
Wenn Jemand sagt "Ja, die blöden Religiösen, aber eigentlich glaubt doch jeder an Irgendetwas!", dann kennt der den Nihilismus nicht. Genau das ist der springende Punkt. Nihilismus glaubt an Nichts. Er erwehrt sich der Annahme einer objektiven Wahrheit und Gültigkeit in jeglichem denkbaren Bezug.

Ein paar weiterführende Links:
www.anus.com/tribes/gnus/entry/521/Zu_Nihilismus_und_Transzendenz
http://www.anus.com/tribes/gnus/
http://www.anus.com/

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